Nähe und Schutz durch Beziehung zu erfahren, ist für Säuglinge überlebenswichtig.
In Abhängigkeit davon, wie die Bezugspersonen damit umgehen, formen sich die ersten Beziehungs- und Bindungsmuster. Bei Eintritt in die Fremdbetreuung haben Kinder bereits Strategien erlernt, die sich für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse als erfolgreich erwiesen haben.
In diesem Lehrgang lernen die Teilnehmenden die Bedeutung und den Hintergrund der Bindungstheorie im Hinblick auf die Entwicklung von selbstprotektiven Verhaltensstrategien kennen und verstehen. Durch die funktionale Betrachtungsweise von herausforderndem kindlichen Verhalten wird das Verständnis seiner Bedeutung in der Beziehungsstrategie geschärft.
Der Versuch, kindliches Verhalten zu verstehen und sich dabei auf zugrundeliegende Bedürfnisse zu beziehen, wird auch als „mentalisieren“ bezeichnet. Im pädagogischen Setting ermöglicht eine mentalisierende Haltung, neue Perspektiven auf das Verhalten von Kindern einzunehmen.
Dies führt zu feinfühligeren Interaktionen, einer positiveren Pädagog*innen-Kind-Beziehung und fördert die sozial-emotionale Entwicklung der Kinder.
Mentalisieren bezieht sich aber auch auf das Verstehen und Reflektieren der eigenen Handlungsgründe, das Wahrnehmen der eigenen Bedürfnisse und die Abstimmung darauf. Eine solche Haltung unterstützt deshalb nicht nur feinfühliges und bedürfnisorientiertes Handeln gegenüber dem Kind, sondern fördert zugleich auch die mentale Gesundheit und Resilienz der Pädagog:innen selbst.
Ziele des Lehrgangs sind der Erwerb von Kompetenzen zur Gestaltung von authentischen und entwicklungsförderlichen Pädagog:innen-Kind-Interaktionen, zum Aufbau einer tragenden Pädagog:innen-Kind-Beziehung und zur Vermeidung und Auflösung dysfunktionaler Verhaltensmuster. Als Grundlage dafür werden Strategien zur Stärkung der eigenen Resilienz (Achtsamkeit, Dankbarkeit, Empathie und Selbstmitgefühl) vermittelt.
Methoden
■ Interaktionsanalyse anhand von Videoaufzeichnungen
■ Fallbesprechungen und nach Möglichkeit Live-Interaktionsbeobachtung zur Übung einer mentalisierenden Haltung
■ Interaktive und kreative Methoden der Gruppenarbeit
■ Arbeitsaufträge zwischen den Modulen zur Übung von Achtsamkeit, Dankbarkeit, Selbstmitgefühl und Empathie
■ Abschlusspräsentation eines eigenen Interaktionsvideos in Dreiergruppen
Aufbau
Modul 1
■ Kennenlernen, Ablauf, Organisation, Anforderungen an die Teilnehmenden, Einführung in die Bindungstheorie, Mentalisierung im pädagogischen Kontext
■ Einführung Bindung, Feinfühligkeit, Synchronität, Kennenlernen erster Beziehungsmuster und Feinzeichen der Befindlichkeit
■ Einführung des Mentalisierungskonzeptes und dessen Bedeutung für Feinfühligkeit und kindliche Entwicklung; fremd- und selbstbezogenes Mentalisieren als zentrale Komponenten von feinfühligen Interaktionen; Stress und die Grenzen der Mentalisierung
Modul 2
■ Einführung in die Videotechnik, Differenzierung erster Beziehungsstrategienund frühkindlicher Bindungsmuster, selbstprotektives Verhalten und dessen Funktion in sozialen Beziehungen
■ Besonderheiten der Feinfühligkeit im Kontext der Pädagog:innen-Kind Interaktion; gruppenbezogene Feinfühligkeit; Umgang mit Begrenzung; Bedeutung von Brüchen und Wiedergutmachung
Modul 3
■ Bindungsstrategien im Kleinkindalter, Umgang mit zwanghaftem und zwingendem kindlichen Verhalten, Einführung in das DMM Bindungsmodell (Dynamic-Maturational Model of Attachment and Adaptation), Einführung in frühkindliche Regulationsstörung, Verständnis und Lösung etablierter dysfunktionaler Beziehungsmuster
■ Grundlagen der Ko-Regulation & Strategien zur Selbstregulation bei herausforderndem kindlichen Verhalten, Konflikt als Lernfeld und Beziehungschance
■ Gruppenbildung und Vorbereitung auf Abschlusspräsentation
Modul 4
■ Abschluss: Eigene Videos - Interaktion & Prozess reflektieren, Fallsupervision
■ Reflexion Abschluss Gruppendynamik, Praxistransfer